Aufgelesen und kommentiert 2018-09-26

/ Was haben CDU/CSU/SPD/FDP/GRÜNE in den letzten 20 Jahren erreicht
/ Ulrich Schneider warnt vor sozialer Dienstpflicht
/ Profit oder Gemeinwohl?
/ Kapital gibt Wunschzettel ab: BDI bestellt »Reformen«
/ Steinmeier: „Es sind zu viele, die sich wohlfühlen im Schlechtreden unseres Landes“
/ EU-Gericht: Abgeordnete dürfen ihre Reisekosten verschweigen
/ Von der Leyen (CDU) bestellte Berater für über 150 Millionen Euro jährlich
/ An diese sieben Redaktionen verschickte Maaßen anwältliche Drohbriefe
/ Zum Schutze der Verfassung
/ Kirchlicher sexueller Missbrauch: Halbherzige Aufklärung
/ Merkeldämmerung in unserer Qualitätspresse – vom Jahr 2000 bis heute
/ Herber Verlust: Heckler & Koch verliert engsten Vertrauten in Berlin

Was haben CDU/CSU/SPD/FDP/GRÜNE in den letzten 20 Jahren erreicht
Eine Grafik sagt mehr als tausend Worte.

Ulrich Schneider warnt vor sozialer Dienstpflicht
„Zwangsrekrutierte haben nichts in der Pflege zu suchen. Man stelle sich nur einmal vor, wir würden ein Pflichtjahr Informationstechnik für alle jungen Menschen einführen, die dann in die Firmen gehen. Jeder würde sagen: Das ist völlig absurd. Viele glauben aber offensichtlich, dass die Beschäftigten in der Pflege oder im Gesundheitswesen nichts können müssen. Fakt ist aber: Hier geht es um Ausbildungsberufe und qualifizierte Arbeit. Und dazu muss man richtig Lust haben. Um mit pflegebedürftigen Menschen umgehen zu können, braucht man ein hohes Maß an sozialer Kompetenz, das leider nicht jeder hat.“

Da hat er natürlich recht, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. ABER: Es geht für Jens Spahn doch nicht darum, dass der Pflegeberuf mit Fachpersonal besetzt wird. Dafür stellt die Bundesregierung auch gar nicht die nötigen Gelder bereit. Jens Spahn will „mit irgendwas“ einige besetzte Stellen vorzeigen, um damit Wahlkampf zu machen. Jens Spahn kennt schliesslich die bildungspolitische Intelligenz der Deutschen. Und für den Pöbel reicht es vollkommen aus, sich in einer Talkshow zu inszenieren, dass man „tausende Pflegestellen neu besetzt“ hat. Für das Klatschvieh im Talkshowstudio sind die Hintergründe – beispielsweise welche Leute zu welchen Löhnen dort arbeiten (müssen) – schon viel zu kompliziert.

Kurz gesagt: Jens Spahn muss kapitalistische Verwaltungsarbeit abliefern. Dafür wurde er gewählt und nur das setzt er jetzt auch um.

Hätte der Wähler stattdessen Pflegekräfte gewollt, die sich menschenwürdig (statt nach vorgegebenem Zeitplan) für die Pflegebedürftigen einsetzen können und dafür auch anständig bezahlt werden, dann hätte der Wähler niemals CDU/CSU/SPD/FDP/GRÜNE/AfD angekreuzt. Also darf man auch sagen, dass die Pflegesituation für die Wähler eher unwichtig ist. Und das weiss auch Jens Spahn und liefert eben Alibipolitik ab.

Und immerhin DAS macht er ganz hervorragend. Es würde auch bei einer plötzlichen Neuwahl immer noch eine breite Mehrheit für kapitalistische Verwaltungsarbeit geben

Profit oder Gemeinwohl?
Die Pflege war über Jahrhunderte eine Sache von Familie, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden. Seit den 1990er-Jahren sind auch privatwirtschaftliche Unternehmen auf dem Pflegemarkt aktiv, um Renditen zu erwirtschaften. Sie kaufen Aktien und ziehen Geld aus der Pflege, ohne selbst je in einem Altenheim gewesen zu sein. Die Menschen bleiben dabei auf der Strecke. Eine Deutschlandfunk-Reportage.

Kapital gibt Wunschzettel ab: BDI bestellt »Reformen«
Industriellenverband rechnet mit konjunktureller Abkühlung und verlangt Senkung der Unternehmenssteuern. Merkel verspricht, zügig zu liefern. Und die hofbericht-erstattende „Tagesschau“ beeilte sich sogar, um daraus eine eigene Meldung zu basteln. Dem Pöbel muss schliesslich klar gemacht werden, dass die Unternehmen jetzt unbedingt entlastet werden müssen.

Dafür muss der Wohnungsmangel, verrottende Schulen und Pflegenotstand auch mal ein wenig zurückstehen

Steinmeier: „Es sind zu viele, die sich wohlfühlen im Schlechtreden unseres Landes“
TELEPOLIS kommentiert die politische Ignoranz des SPD-Bundespräsidenten bereits mehr als ausführlich. Aber weil auch ich mich hier irgendwie angegriffen fühle, will ich nur kurz klarstellen: Nein, ich schreibe dieses Land nicht schlecht. Ich schreibe über das, was ist. Ich schreibe über das, was die herrschende Politik verursacht. Und wenn das, worüber ich schreibe, als „schlecht“ wahrgenommen wird, dann ist das einzig und allein das Ergebnis der Regierungsarbeit. Punkt.

Ausserdem kommt auch ein Bundespräsident nicht an den Fakten vorbei, wenn selbst die Bundesregierung in ihrem Armuts- und Reichtumsbericht zugeben muss, dass nur eine einzige Gruppe von ihrer Regierungsarbeit profitiert: Nämlich die obersten 10 Prozent. Mein einziger Beitrag dazu ist es, dass ich genau dieses Regierungsergebnis bekannt mache und anhand vieler kleiner Nachrichtenmeldungen aufzeige, wie es dazu kommen musste.

Wenn meine bescheidene Arbeit, die eigentlich die Arbeit von Journalisten wäre, von einem sozialdemokratischen Bundespräsidenten als „Schlechtreden“ beschimpft wird, dann hat das schon Trump-Niveau.

EU-Gericht: Abgeordnete dürfen ihre Reisekosten verschweigen
Man muss dabei erwähnen: Sowohl beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) als auch beim Gericht der Europäischen Union (EU-Gericht) müssen sich die Richter, die von den Regierungen der Mitgliedsländer ernannt werden, nach ihrer sechsjährigen Amtszeit wiederwählen lassen. Derartige Richter werden natürlich niemals krachende Urteile gegen genau die Regierenden fällen, von deren Wiederwahl sie abhängen. Und schon gleich doppelt nicht, wenn man als EU-Richter sein saftiges (und fast steuerfreies) fünfstelliges Monatsgehalt liebgewonnen hat.

Drum merkt euch: Immer wenn „überraschend milde“ Urteile von einem EU-Gericht gefällt werden, so passiert dies wegen ihrer Abhängigkeit vom Wohlwollen der Regierenden. Und jeder Qualitätsjournalist, der genau diese Abhängigkeit nicht bei jedem dieser EU-Urteile mit dazuschreibt, betreibt Propaganda. Punkt.

Von der Leyen (CDU) bestellte Berater für über 150 Millionen Euro jährlich
„Fast zwei Jahre lang untersuchte der Rechnungshof Verträge mit Beratungsunternehmen und erheben nun schwere Vorwürfe. Demnach gibt Ministerin Von der Leyen bis zu 150 Millionen Euro jährlich nur für Berater aus. Einzelbeispiele aus dem Bericht wirken teilweise wie aus einem schlechten Drehbuch. So engagierte das Ministerium selbst externe Möbelberater für die neue Ausstattung für Kasernen. Aus Sicht des Rechnungshofs sind all diese Vorgehen klar rechtswidrig, daraus machen die Prüfer keinen Hehl. In ihren Empfehlungen fordern sie das Ministerium dringlich auf, die beschriebenen Mängel zu beseitigen. Bisher hat von der Leyens Haus nicht auf den Bericht reagiert.“

Soll ich es immer wieder wiederholen, dass in jedem Rechtsstaat nun Handschellen klicken würden wegen Veruntreuung von Steuergeld? Aber das wir stattdessen in Deutschland leben, wo der Bundesrechnungshof nur folgenlose Berichte schreiben kann, Millionensummen in dunkle Kanäle verschwinden und der Wähler doch wieder jubelnd seine gekauften schwarzrotgelbgrünblauen Parteien ankreuzt?

An diese sieben Redaktionen verschickte Maaßen anwältliche Drohbriefe
Der Skandal, dass der sogenannte „Verfassungsschutz“ auch noch die Pressefreiheit einschränken wollte, ist im gesamten Trubel zuletzt sogar völlig untergegangen.

Aber hey: Dank der knallhart nachverhandelnden SPD ist Maaßen dann ja zur Belohnung auf einen ganz neuen Posten aufgerückt, der sogar extra für Maaßen erst geschaffen wurde. Und die SPD fordert für diese Witznummer, die sogar Satiriker ablehnen weil ihnen der Lacher zu plump wäre, auch noch ernsthaft Applaus von den Wählern.

Aber das gehört bestimmt zu dieser SPD-Erneuerung, für die ich nur nicht schlau genug bin, um sie zu kapieren

Zum Schutze der Verfassung
„Die Geheimdienste bauen Mist, und bekommen kurz darauf zusätzliche Befugnisse zugesprochen. Und mehr Kohle. Allein das Budget des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) ist inzwischen zehnmal höher als das des Bundesverfassungsgerichts, das die Verfassung auch tatsächlich schützt. Eine Beförderung von BfV-Chef Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär hätte demnach lückenlos die Tradition fortgeführt, schlapphutbürgerliches Totalversagen nach Kräften zu belohnen.

Der Menschenrechtsrechtsaktivist Rolf Gössner, selbst jahrzehntelanges Opfer rechtswidriger Bespitzelung, ruft dazu auf, sich von der Personal-Debatte um Maaßen nicht von den strukturellen Problemen der Geheimdienste ablenken zu lassen, die „durch einen bloßen Wechsel an der Spitze des BfV keinesfalls gelöst werden können“.“ Weiterlesen…

Kurze Anmerkung: Die Unterstützung rassistischer Morde und terroristischer Anschläge als „Mist bauen“ zu bezeichnen, ist schon eine üble Verharmlosung – insbesondere deren Opfern gegenüber. Aber vom Fazit her ist natürlich klar: Die Maaßen-Debatte soll nicht davon ablenken, dass der sogenannte Verfassungsschutz natürlich abgeschafft gehört.

Allerdings ist das mit einer Bundesregierung, die selber nach der Methode „Ausländer raus“ regiert, natürlich nicht zu machen.

Kirchlicher sexueller Missbrauch: Halbherzige Aufklärung
Die beauftragten Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass sich für den Zeitraum von 1946 bis 2014 anhand von Personal- und Handakten für 1.670 Kleriker (4,4 Prozent) Hinweise auf Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs an 3.677 Kindern und Jugendlichen finden lassen. Dabei handelt es sich laut den Autoren der Studie um eine »untere Schätzgröße«, denn in vielen Fällen seien Unterlagen »vernichtet oder manipuliert worden.«

Die Studie sei zudem »unvollständig, weil die Ordensgemeinschaften wie Jesuiten oder Benediktiner nicht untersucht wurden«.

Wie aus der Studie hervorgeht, gab es mit gut 20 Prozent auch weibliche Opfer. Doch die Kirche betrachtet sexuellen Missbrauch weiterhin als »internes Problem«. Schlimmer noch: Sie bearbeitet die Schutzbefohlenen dahingehend, indem den Minderjährigen auch noch Schuldgefühle eingeredet werden, für das, was geschehen ist.

Ach ja: Fragt hier jemand nach Konsequenzen? Natürlich keine. Die Täter arbeiten unbehelligt weiter. Proteste innerhalb der katholischen Szene existieren nicht. Bundesregierung und Justiz schauen tatenlos zu. Und noch nicht einmal die vom Verfassungsschutz (also mit unserem Steuergeld) finanzierten Neonazis, die immer am lautesten die Todesstrafe gegen Kinderschänder fordern, fackeln jetzt statt Flüchtlingsunterkünfte mal einige Kirchen nieder.

Man stelle sich nur einmal kurz vor, in den Moscheen würden tausendfach Minderjährige sexuell missbraucht. Was DANN in den Qualitätsmedien, TV-Talkshows und bei den üblichen Polithetzern los wäre.

Merkeldämmerung in unserer Qualitätspresse – vom Jahr 2000 bis heute
Ein Rundgang durch unsere Qualitätspresse, die schon im Jahr 2000 zu berichten wusste: „Diese Frau hat keine Zukunft“

Und zu guter Letzt:

Herber Verlust: Heckler & Koch verliert engsten Vertrauten in Berlin
Einzig und allein der POSTILLON hat mal wieder erkannt, für wen die Abwahl von Volker Kauder TATSÄCHLICH ein herber Verlust ist Ein erstes Interview mit dem neuen CDU-Star Ralf Brinkmaus gibt es übrigens hier.

3 Gedanken zu „Aufgelesen und kommentiert 2018-09-26“

  1. „Nein, ich schreibe dieses Land nicht schlecht. Ich schreibe über das, was ist. Ich schreibe über das, was die herrschende Politik verursacht. Und wenn das, worüber ich schreibe, als „schlecht“ wahrgenommen wird, dann ist das einzig und allein das Ergebnis der Regierungsarbeit. Punkt.

    So ist es! Wir sind Chronisten und keine Politiker oder Journalisten. Den häufig giftigen Kommentar dazu möge man uns verzeihen: wir haben noch Emotionen und es empört uns, wenn man Menschen verhungern lässt (100 Prozent Sanktionen), Waffen in Steinzeit-Diktaturen liefert oder wir täglich mit Lügen bombardiert werden. Wer sich nicht mehr empören kann, hat sich selbst und seine Mitmenschen schon aufgegeben.

    1. Wenn aber son Wohlstandsmensch meint durch weniger Flüchtlinge würde irgendwas besser und es wär ja so schlecht hier wegen denen und das seit 2015, dann ist das Quatsch und dumm. Dem gehts sehr gut, der merkts nur nicht. Diese verwöhnte Clique kauft sich am besten „Wege glücklich zu sein“- Lektüre und überlässt denen, denen es wirklich schlecht geht das reden bzw. schreiben. Träumchen. Aber Aufmerksamkeit macht halt auch süchtig. Schon klar. Aber die meinte Steinmeier nicht, oder?

  2. Och, Steini halt. Man erinnere sich an seine ätzende Kriegstreiberrede (https://www.youtube.com/watch?v=nZSvEx5r9AQ) – richtig bezeichnend klingt das, wenn man die durch eine Tretmine bzw. Verzerrer jagt, am Besten ab Minute 3.43). Wenn der jetzt auch noch früher aus dem Amt scheidet, tritt ja noch der Bundesrechnungshof wieder auf den Plan. Wenn der sich dann ein Hotel und amgeschlossene Juwelenbutze in Thailand kauft, die dann an RTL für wichtige Dokusoaps untervermietet, kann er sich den restlichen Weg durchs Perlentor auch vögeln und muss nicht auf Medienpräsenz verzichten.

    Wegen Übermedien: Was glauben die Leute denn, wie Zeitung gemacht wird? Man greift sich die besten Artikel vom Vorjahr und die Megasten der letzten Jahrzehnte und aktualisiert die. Ist im Fersehen auch nichts anderes und im Kino schon gleich gar nicht. Inhalte sind doch schon seit Dekaden egal geworden. Der Unterschied ist, dass damals noch jeden Tag vor einem wahnsinnigen Linksruck gewarnt wurde, den ich nie erkennen konnte.
    Na, das kommt bestimmt auch wieder.

    Zur Kinderfickersekte kann man sich auch ganz gut den Blog von Tammox reinziehen. Mißbrauch wird in Deutschland erst etwas ernster gesehen, seit die Kids ihre Highschoolmovies auch hier realisieren wollen.
    Im Amiland lautete die ungeschriebene Regel dazu: „Never fuck in your job!“ In Deutschland war es schon immer umgekehrt.

Schreibe einen Kommentar zu Afd die neoliberale Mischpoke Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert