10 Jahre Duckhome – aber wo bleibt die Revolution

Heute vor 10 Jahren eröffnete Jochen mit diesem Eintrag dieses Blog. Seitdem gab es viele böse, zynische und auch (weil mit Substanz) positiv beleidigende Artikel hier bei Duckhome auch immer wieder garniert mit einem Aufruf zur Revolution Und vielleicht ist das auch mal ein ganz guter Anlass, ein bisschen was über mich zu erzählen.

Inzwischen bin ich mit meinen fast alltäglichen und gerne mal zynischen Wortmeldungen ja auch schon seit ca. 2005 politisch kommentierend im Internet unterwegs. Und ich hatte damals schon nicht den Hintergedanken, die Welt verändern, oder die Leute bekehren zu wollen. Wenn ich sehe, mit wieviel mehr Einsatz beispielsweise die Nachdenkseiten in den Kampf gegen die tägliche mediale (und politische) Verblödung ziehen, dann tun sie mir schon fast leid, wenn sie resigniert von sich geben, dass die gesamte Aufklärungsarbeit sinnlos erscheint. Auch Georg Schramm ist erschöpft und sogar Volker Pispers zieht sich zurück. Leute also, mit millionenfach grösserer Reichweite. Allein deshalb sollte man sich als Blogger doch im Klaren sein, dass die Aussicht darauf, dass man irgendetwas verändern könnte, vollkommen lächerlich erscheint. Ich kann diejenigen Kollegen, die ernsthaft mit der Absicht der Aufklärung und des Leutebekehrens zuwerke gehen, nur bedauern.

Denn mal ganz realistisch gefragt: Was hat selbst ein Edward Snowden denn tatsächlich (!) erreicht? Deshalb sehe ich mich selber auch nur als Tageskommentator, denn Optimismus ist nur die Flucht vor der Realität. Die Herde zieht doch vollkommen gleichgültig umher und frisst, was ihr hingeworfen wird. Auch wenn die Krümel vom Tisch der obersten 10 Prozent immer weniger werden, kümmern sich die Leute weiterhin ausgiebig um banalste Dinge (Fussball, Tatort, usw.). Und wenn das Thema mal auf die Gesellschaftspolitik gedreht wird, werden die auswendig gelernten Stammtischparolen der Massenmedien aufgesagt. Oder es gibt als Antwort: Die anderen können das auch nicht besser. Wozu also unnötig Energie verschwenden?

Auf jede einzelne Idee, die die Lebensbedingungen für den Pöbel verbessern könnte (Steuer-Umverteilung, 30-Stunden-Woche, solidarische Bürgerversicherung, usw.) folgen mindestens fünfzig Meldungen einseitig interessierter Kreise, um diese nachdenkenswerten Initiativen komplett in den Boden zu schreiben. Und zwar in ALLEN grossen Zeitung, wie auch TV und Radio. Und die Leute lassen sich davon am Nasenring herumführen, beziehungsweise verbreiten diese Parolen sogar höchstpersönlich weiter selbst wenn sie vom Papier her zu den Höherqualifizierten gehören. Die „Tea Party“ Bewegung der USA ist ein hervorragendes Beispiel dafür, was für eine Horde an komplett gehirnentkernten Brülltüten man heranzüchten kann, ohne dafür die „Demokratie“ abschaffen zu müssen. In den USA wird sogar GEGEN eine gesetzliche Krankenversicherung demonstriert. So weit kann man es bringen nur über Gehirnwäsche per Massenmedien.

Aus diesem Grund bin ich auch der Meinung, dass mehr Transparenz in der Politik (Lobbyregister, Nebeneinkünfte, Parteispenden usw.) gar nichts bringen wird. Jeder weiss, wie korrupt der ganze Haufen ist, bei dem man über Parteispenden und Belohnungspöstchen die nötigen Gesetze erkauft. Jeder weiss, wer für Altersarmut und Hungerlöhne verantwortlich ist, während die Vermögen der obersten 10 Prozent explodieren. Trotzdem werden die schwarzrotgelbgrünen Millionärsbeschenker wiedergewählt. Und der Pöbel freut sich sogar wie Bolle, wenn z.B. die LINKE aus den Parlamenten fliegt. Niemals wird der Pöbel in einer wirklich kritischen Masse das System aushebeln wollen, geschweige denn können, für das er doch nur Nutzvieh ist. Und das System wird IMMER genug Freiwillige finden, die für diverse Annehmlichkeiten mithelfen, dieses System zu erhalten. Und es werden IMMER ausreichend (unschuldige) Opfer präsentiert, vorzugsweise Ausländer und die Unterschicht, an denen der ausgequetschte Pöbel seinen Frust gezielt entladen darf. Wer auch nur mit halb geöffneten Augen durchs Land zieht, der erkennt doch deutlich, dass es Hamsterraddeppen, Verharmloser und Desinteressierte in ÜBERGROSSER Masse gibt, die sich entweder ungebildet oder frustriert mit dem bestehenden System abfinden.

Ich kann mich darüber gar nicht mehr ärgern. Ich schaue mir diese selbsternannte Zivilisation nur noch belustigt an und kommentiere es.

Ach ja: Als Pöbel bezeichne ich übrigens ALLE, die nicht von ihren Zinseinkünften allein leben können (also auch mich selbst). Das passt vielleicht nicht ins Bild der arbeitenden Mittelschicht, die von sich selber behauptet, etwas Besseres als nur „Pöbel“ zu sein. Aber letztlich würden auch diese Mittelschichtler ihren Lebensalltag verlieren, sollten sie von ihrer Lohnarbeit „freigesetzt“ werden. Und die Politik und die Massenmedien werden sich anschliessend genauso abfällig über diese Ex-Lohnabhängigen äussern, wie sie es auch jetzt schon machen. Das nur nebenbei als Richtigstellung des Begriffs „Pöbel“, für den ich gelegentlich kritisiert wurde.

Zum Glück aber überwiegen eher die positiven Kommentare. Und es freut mich zu lesen, dass meine Kommentare nachvollziehbar und unterhaltsam geschrieben sein sollen. Wenn man sich bereits mehrere Jahre mit gesellschaftspolitischen Themen beschäftigt, vergisst man ja ziemlich schnell, dass es auch immer (neue) Leser gibt, die dieses Wissen noch nicht haben. Und ich wollte niemals ins Fachchinesisch abrutschen, wo dann jeder achselzuckend weiterblättert. Aber nochmal: Ich fühle mich keinesfalls als Leutebekehrer, sondern eher als (gerne mal zynischen) Kommentator. Vielleicht erreiche ich damit die Leute nicht, oder empöre sie sogar, weil sie derartig abgrundböse Worte nicht vertragen können. Aber diese Art des Schreibens macht mir eben Spass. Und ich will auch gar nicht oberlehrerhaft an ein Umdenken appellieren. Das letzte Fazit muss nämlich jeder für sich selber ziehen.

Möge Duckhome dabei noch weitere zehn Jahre hilfreich zur Seite stehe

2 Gedanken zu „10 Jahre Duckhome – aber wo bleibt die Revolution“

  1. Lieber Andreas,

    erst mal mein Mitgefühl. Ich hatte schon immer mal das Bedürfnis nach Berlin zu fahren und Jochen kennenzulernen. Aus Geld-Knappheit sind mir Berlin-Reise seit längerer Zeit kaum bis nicht möglich. Aber Jochen kennenzulernen geht nicht mehr.

    Ich weiß nicht, ob Du das alte Saarbreaker-Netzwerk noch kanntest. Es war ein guter Versuch, bei dem Duckhome auch beteiligt war. Jenes gibt es schon lange nicht mehr.

    Was ich nicht verstehe, ist das Stilllegen (Löschen) von Duckhome.de. Sind die „Erben“ so pleite, dass sie Jochens Werk nicht als Archiv hätten weiter leben lassen können? Oder war es Jochens letzter Wille? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jochen so klein beigegeben hätte, trotz seiner Zweifel, die er wohl gehabt haben mag.

    Schade, dass ein qualifizierter Gegenöffentlichkeitler von uns ging. Vielleicht kannst Du ja diese kleine Flamme, die in rume.de noch fortexistiert, eine gute Zeit am Leben erhalten.

    Ich weiß, dass Dir Deine Blogarbeit viel Zeit kostet. Ich wünsche Dir, auch wenn mit einem halben Jahr Verspätung, eine große Geduld und eine gute Zeit mit viel Gesundheit.

    Beste Grüße aus Bankfurt,
    Bernhard

    1. Das mit der Abschaltung hat eher einen rechtlichen Hintergrund. Jochen hatte ja oft und gerne auch juristisch gekämpft bzw. kämpfen müssen – und dabei auch gelegentlich verloren. Auf diese Auseinandersetzungen wollte sich niemand der Betreiber einlassen und dann mit seinem eigenen „Vermögen“ dafür haften, was Jochen sich so vom Herzen schrieb.

      Ja, es ist sehr schade, dass es dadurch so abrupt endete. Von daher danke für deine Worte.

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